um einmal - auszugsweise - mit einer aufzählung dessen zu beginnen, was friedrich sieber nicht macht, was siebers bilder nicht sind, was aber - wenn wir kunstkritikern, vernissagerednern und katalogtextern glauben wollen, was moderne kunst ausmacht: siebers bilder und blättern kommen nicht von einer gelebten archaik her; sie biegen nicht die zeitlichen ende so zusammen, daß wir verwirrt vor soviel zeitlosigkeit stehen; in ihnen schlägt nicht immer wieder ein melancholischer akkord durch; sie sind keine reinen richtflächen des geistes, fugenlose gleichungen des absoluten; in ihnen setzt sich keine materielle substanz in absolute harmonisierende architektur um; sieber malt schließlich keine metaphysik -
stattdessen macht sieber das, was in der malerei schon immer gemacht wurde: er malt, er macht was mit farben, er macht war farbig. das, was sieber mit farben macht, was er farbig macht, kann abgelesen werden als bild aus farbe, fläche, linie und form. auf den hier ausgestellten bildern ist etwas vorzeigbares sehbar gemacht: also keine metaphysik, keine metaphern, nichts absolutes, stattdessen etwas ganz konkretes, nämlich das, was sieber als maler beschäftigt: gleichsam seine probleme. wir würden sagen, daß die hier ausgestellten arbeiten etwas von siebers artistischen problemen sehbar machen. sprechen wir also in stichworten von diesen problemen.
die künstlerische entwicklung siebers, seine seit 1956 gegenstandslose malerei zeichnen sich durch eine heute kaum selbstverständliche konsequenz des programms und seines schrittweisen vollzuges aus. man kann diese malerei und ihre entwicklung dabei durchaus in einer denkbaren nachfolge kandinskys, aber auch in einem zusammenhang der auseinandersetzung hoelzels und noldes mit der farbeverstehen, indem f. sieber augenscheinlich primär in farben, nicht in farbigen gegenständen denkt, indem die selbständigkeit der farben insbesondere für ihn problem und programm ist.
sieber malt - wie gesagt - seit 1956 abstrakt: er malt bilder, deren entstehung sich meist über einen längeren zeitraum (gelegentlich über jahre) erstreckt, aber - wenigstens zu anfang - auch sogenannte "wilde bilder", die verhältnismäßig schnell runtergemalt werden. heute überwiegt das langsam, in wiederholten, oft abgebrochenen und neu wieder angesetzten prozessen entstehende bild.
die frühen arbeiten friedrich sieber zeigen eine ausgedehnte chromatik bei starker struktur-schichtung. (wobei wir mit sieber unter struktur zunächst farbstruktur meinen. dabei entdeckte sieber, daß jede angesetzte farbe zu einem gefälle in einer bestimmten richtung (sprich farbrichtung) tendiert (z.b. rot zu braun, rot zu lila, rot zu gelb). und sieber entdeckt ferner, daß die bildmitte speziell ein gefälle am rande diktiert, was er in seiner atelier-terminologie als randumlauf bezeichnet. bedeutet das gefälle zum rande hin eine scheinbare dehnung, so bedingt der randumlauf als gegenläufige wirkung eine scheinbare quetschung. durch das aufreißen des gefälles in der dehnung und das drehen in ein gegengefälle, das unterlaufen der dehnung durch die quetschung erreicht sieber das, was er in einem bildtitel von 1960 "verwindung" nennt. (es scheint fast unnötig anzumerken, daß die aufnahme der atelierterminologie in die bildtitel, daß das maß atelier, das siebers bildern dadurch anhaftet, für das soganannte "materiale bewußtsein" einer solchen malerei spricht.)
seit 1960 dienen die arbeiten friedrich siebers dem weiteren versuch, zu immer engeren farbkontakten, d.h. zu einer immer engeren struktur im ober genannten sinne zu kommen. es sind dies versuche, die gefälle innerhalb eines bildes so zu lenken, daß sie an möglichst vielen stellen des bildes zu einem abschluß gelangen. und man könnte als ein kriterium geltend machen, daß die ergebnisse einer solchen kunstvorstellung in dem maße gut sind, in dem es ihrem hersteller gelingt, das farbgefälle jeweils so zu lenken, daß es an möglichst vielen stellen des bildes (entsprechend den abschlußwerten jeder farbskala) tatsächlich zu einem abschluß gelangt.
diese methodisch konsequenten versuche siebers führen 1961/62 zu einer art formloser malerei - etwa in den damals entstehenden imaginationen, besser: farbimaginationen - die entweder bei flachem farbgefälle durch eine farbe schon annähernd charakterisiert sind (: das ist ein grünes bild - was natürlich nicht stilleben bedeutet), oder bei denen die farbigen randumläufe im zentrum des bildes notwendigerweise so etwas wie eine farbform bedingen (rot in rosa - und rot ist kein gegenstand, eher ein farbding). wenn heute auf den arbeiten siebers farbformen erscheinen, so entspringen sie nicht einer konstruktivistischen absicht, sind sie vielmehr folgerichtig und innerhalb der entwicklung seiner malerei und ihrer tendenzen so etwas wie farbdinge, bedingt und bestimmt durch impulse, die, von der farbe ausgehend, für sieber den ablauf der farbe zur farbform, den farbformablauf zur farbformkonstellation des bildes, zum bild regeln.
nicht ohne grund hat sieber einer in diesem jahr geduckten mappe von 8 serigrafien den titel impulse formen bilder gegeben. und auch dies spricht für das methodische denken siebers, daß er mit dieser formel die farbmateriale, farbmaterial bedingte machart seiner bilder, den entstehungsprozeß seiner serigrafien indexikalisch anspielt. wie seine bilder so zeigen auch seine serigrafien jeweils ein eigenes farbiges problem (z.b. wenn es im zentrum rot wird und außen rum rosa ist, eine problem übrigens, das sich für sieber als mögliches farbgefälle bereits 1958 stellte, das abzugrenzen er seither wiederholt versucht hat).
keine farbreproduktionen einer landesüblichen siebdruckerei, wo die künstlerische betätigung auf den entwurf beschränkt bleibt und die ästhetische absicht des künstlers mehr aber meist weniger gut mechanisch reproduziert wird - sind die serigrafien siebers, von hand gedruckt, vielmehr ebenso wie seine bilder ergebnisse eines langwierigen, methodisch angegangenen arbeitsprozesses, in den der kunstler - ausgehend von einem entwurf, einer ästhetischen absicht - immer wieder kontrollierend und korrigierend eingreift, so, daß - bei den verhältnismäßig kleinen auflagen der serigrafien - oft erhebliche abweichungen zu beobachten sind, so - daß ein bild oft nach jahren noch nicht fertig gemalt ist.
auch das, so meinen wir, zeigt, was an den bildern und blättern siebers, an ihren ästhetischen welten dran ist. und man könnte auch sagen, daß sieber sehbar macht, was auf seinen arbeiten drauf, was an seinen arbeiten dran ist. und das es am betrachter ist, das zu sehen.
[galerie elitzer saarbrücken, 22.10.1965]