die künstlerische entwicklung f. siebers, seine seit 1956 gegenstandslose malerei zeichnen sich durch eine heute kaum mehr selbstverständliche konsequenz des programms und seines schrittweisen vollzuges aus. man kann diese malerei und ihre entwicklung dabei durchaus in einer denkbaren nachfolge kandinskys verstehen, indem f. sieber augenscheinlich (farb)material denkt, indem die selbständigkeit der farben insbesondere für ihn problem und programm ist.
ausgehend von einer ausgedehnten chromatik bei starker schichtung von farbstrukturen entdeckt er 1956 für sich das farbgefälle, die tatsache, daß eine angesetzte farbe in eine bestimmte richtung tendiert (etwa rot zu braun, rot zu rosa, rot zu lila, rot zu gelb etc.). indem er dieser erfahrung (die er etwa mit hölzel, nolde u.a. teilt) methodisch nachgeht, entwickelt er zugleich jene für ihn eigentümliche malerei der farbdehnungen, -quetschungen, randumläufe und verwindungen, die wir als eine bewußt farbmateriale malerei kennzeichnen möchten, wobei wir als kriterium geltend machen würden, daß die ergebnisse einer derartigen kunstvorstellung in dem maße gut sind, in dem es ihrem hersteller gelingt, das farbgefälle jeweils so zu lenken, daß es an möglichst vielen stellen des bildes zu einem abschluß gelangt (entsprechend den abschlußwerten jeder farbskala).
diese methodisch konsequenten versuche f. siebers mit dem farbgefälle (und mit farbkontakten) führen 1960-62 zu einer art formloser malerei, etwa in den damals entstandenen "imagination", die entweder (bei flachem farbgefälle) durch eine farbe schon annähernd charakterisiert sind (das ist ein grünes bild. was natürlich nicht stilleben bedeutet), oder bei denen die (farbigen) randumläufe im zentrum des bildes notwendigerweise so etwas wie eine farbige form, eine farbform bedingen (rot in rosa. und rot ist kein gegenstand, eher ein farbding). wenn heute auf den arbeiten f. siebers formen erscheinen, so entspringen sie nicht einer konstruktivistischen absicht, sind sie vielmehr folgerichtig und innerhalb seiner entwicklung und künstlerischen tendenz so etwas wie farbdinge, bedingt und bestimmt durch impulse, die, von der farbe ausgehend, für ihn den ablauf der farbe zur farbform, den farbformablauf zur farbformkonstellation des bildes, zum bild regeln. nicht ohne grund heißt die vorliegende mappe "impulse formen bilder".
es spricht für das methodische denken f. siebers, daß er mit dieser formel die farbmateriale machart seiner bilder, den entstehungsprozeß seiner serigrafien indexikalisch anspielt. jede dieser serigrafien zeigt dabei ein eigenes farbliches problem (z.b. wenn es im zentrum rot wird und außenrum rosa ist, eine aufgabe, die sich für f. sieber als mögliches farbgefälle bereits 1956 stellt, das abzugrenzen er seither wiederholt, so 1961 in einer "imagination", unternimmt. auch wenn die lösung der serigrafie äußerlich zunächst flächig erscheint, so sind ihre formen doch primär farbe, haben sie sich erst im prozeß des entwerfens und druckens als farbformen konstituiert). die jeweils eigenständige aufgabe der einzelnen serigrafie bedingt dabei eine unterschiedliche wahl des papiers, die oft erst im verlaufe des druckvorgangs getroffen wird, ebenso wie ihre schrittweise lösung auch die erstaunlich große diskrepanz zwischen entwurf und ausgedrucktem blatt erklärt, indem die gedruckten farben und ihre konstellationen oft weitere nicht vorkalkulierte entscheidungen erforderlich machen können, bis der künstler das einzelne blatt als abgeschlossen (im oben skizzierten sinne) betrachtet.
mindestens 6, maximal 12, im schnitt 10 langwierige druckvorgänge für ein einzelnes blatt sind dabei für eine serigrafie verhältnismäßig zahlreich und (nimmt man noch die von druckvorgang zu druckvorgang ständig möglichen und erfolgten änderungen und korrekturen hinzu) in dieser art nur beim handdruck möglich. so sind diese 8 serigrafien (ebenso wie die bekannter gewordenen zahlreichen lithos f. siebers) keine vervielfältigungen, keine farbreproduktionen einer offsetpresse bzw. einer landesüblichen siebdruckerei, wo die künstlerische betätigung auf den entwurf beschränkt und die ästhetische absicht mehr oder (meist) weniger gut mechanisch beliebig reproduziert wird. sie sind vielmehr, von hand gedruckt, ergebnisse eines langwierigen, methodisch angegangenen arbeitsprozesses, in den der kunstler, ausgehend von einem entwurf, einer ästhetischen absicht, immer wieder kontrollierend und korrigierend eingreift zugunsten einer bestmöglichen lösung.
nur so aber vermag ein künstler sehbar zu machen was auf seinen arbeiten drauf und was an ihren ästhetischen welten dran ist. f. sieber, möchten wir abschließend sagen, vermag es deutlich sehbar zu machen. es ist am betrachter, das zu sehen.
[Vorwort zur Mappe "impulse formen bilder". Stuttgart: Editon Hansjörg Mayer 1965]