Immer
schlechtere Gedichte | Karl Kraus
fiel zu Hitler | Statisken beweisen
| Lebensläufe in fallender
Linie | Preis Lied |
Hoffnung
| Zuversicht | Laßt
uns vom Tod sprechen | Zielvorstellungen
| Rezension | Anhörung
| Diese K-gruppen | Demokratie
| Staatsverdrossenheit | Berufsverbote
| Vorsätzlich | Auch
ein Kommentar zum Scheidungsgesetz | Rezession
| Gedicht für meinen
14 Jahre alten Sohn | Gedicht
für meine gerade 12 Jahre alte Tochter | Gedicht
für meine 11 Jahre alte Tochter | Esther
| In den letzten Jahren | Gegenwart
| Immer ist er dabei der Schatten
| Wenn der Bärlauch blüht
| Das Glas Weißwein | Sechzehn
Jahre noch | Reisenden Nachtlied
| Die Erde sei eine Scheibe |
Als
Armstrong Aldrin und Collins | Landschaft
mit Kühen | Nicotiana tabacum
| Zum Beispiel Sandelholz
Immer schlechtere GedichteSchlechte Zeit für Lyrik,
Zeit für schlechte Gedichte.
Zuerst wurden die Poetiken
außer Kurs gesetzt.
Dann kam der Reim abhanden.
Schließlich fehlten
sogar die Worte.
Hast du Töne?
Karl
Kraus fiel zu Hitler
nichts ein, während
Brecht
der Reim fast wie
ein Verbrechen vorkam.
Heute füllt Hitler
Regale.
Im Januar 1932
6 042 000 Arbeitslose
am 23. September 1933
erster Spatenstich
am 23. September 1936
1000 Kilometer Autobahn
und
1 170 000 Arbeitslose
und 1976
4 110 Kilometer Autobahn
und schon wieder
über eine Million Arbeitslose
Lebensläufe in fallender Linie
1
Er sagte sich,
dies macht mir Sorgen,
das macht mir zu schaffen,
jenes bringt mich noch um
den Verstand,
hielt Wort.
2
Er sagte,
das kann doch nich wahr
sein,
das hälste nich aus,
da gehste kaputt,
ging drauf.
Ich höre klagen,
die Ladendiebstähle
hätten weltweit zugenommen.
Man sollte den Laden
dicht machen. Die Welt
kann mir gestohlen bleiben.
Es gibt
keine Liebe mehr
Unter Menschen
der Zweck heiligt
den Mittel Stand
die Maß ist voll
das Abend Land
schafft sie alle.
Denken*)
denken kannst du noch
was du denkst
im Rahmen des Erlaubten
kannst du ausgewogen
auch sagen was du denkst
es sei denn die Wahrheit
behältst du besser
für dich
wer will sie schon hören
aber denken darfst du sie
noch
hinter vorgehaltener Hand
unter der Hand darfst du
noch tun
was du denkst, daß
zu tun ist.
Du wirst schon sehen.
*) im allg. Sinne Akte des
Urteilens, Schließens, Meines, die auf Bedeutungen und Beziehungen
zielen, oft gewohnheitsgemäß und durch praktische Bedürfnisse
und Interessen bestimmt.
Laßt
uns vom Tod sprechen
nicht dem geschminkten
die Armseligkeit zu vertuschen
der gekachelten Räume
und den Hinterbliebenen
in tiefer Trauer
laßt uns das Recht
auf den Tod
ins Grundgesetz schreiben
[...]
... die dahin gingen
verschüttet in Massengräbern
in Beinhäusern gestapelt
auf den Friedhof gekarrt
die Hinterbliebenen
in den Stätten der
Zivilisation
Eigentumswohnungen Hochhäusern
und Intensivstationen
die dahinter kamen im letzten
Augenblick
die Hingerichteten
die Aussteiger
in die Freiheit der Anarchie
Warum nicht Heine-Universität?
Da könnte ja jeder
kommen,
Göttingen zum Beispiel
oder Hamburg,
das könnte Streit geben
oder gar Schule machen.
Man stelle sich vor:
eine Brecht&Toller-Universität
in München,
wo Hitler putschte, oder
eine Lichtenberg-Universität
in Göttingen.
Von dort zogen schon einmal
sieben aus.
Auch eine Gottfried-August-Bürger-Universität,
er schrieb an seinen durchlauchtigen
Tyrannen,
wäre hier ebenso fehl
am Platze
wie ein Büchner-Technikum
in Darmstadt wohnen die
Künste
oder in Stuttgart eine Schiller-Universität,
hier entstanden die Räuber,
eine Hölderlin-Universität
in Tübingen.
Immerhin soll Hölderlin
Jakobiner gewesen sein.
Goethe dagegen -
Aber die Universität
in Frankfurt
heißt ja schon 80.
*) 0. Schönfeldt (Hrsg.):
Bürgerinitiative Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf 1968-1972.
Und alle lieben Heinrich Heine. Köln 1972.
Sie haben
die Auslieferung der Bild-Zeitung
verhindert,
Sie haben den Wehrdient
verweigert,
Sie haben demonstriert
Sie waren Mitglied,
es liegen Erkenntnisae vor.
Ist daß richtig?
Richtig ist,
daß K.G.K. Mitglied
2633930 war,
er unterschrieb vieles,
er schrieb auch Gedichte;
daß H.G. 1935 das
Gesetz zum Schutze der Erbgesundheit des deutschen Volkes erläuterte;
F.J.S. weltanschaulicher
Referent war
aber Spruchausschutzvorsitzender
nach Fünfundviersig;
richtig ist auch,
daß K.K.F. zum Tode
verurteilte
bis zum bitteren Ende.
Was damals Recht war,
kann heute nicht Unrecht
sein,
soll er gesagt haben.
Ein Mensch kann sich irren.
Kann ein Mensch sich so
irren?
*) Notiert anläßlich
des Radikalenerlaases, überarbeitet anläßlich des langwierigen
Rücktritts von Hans Filbinger ist dieses Gedicht einigen meiner Studenten
gewidmet. Ich hätte ihnen meine Kinder bedenkenlos anvertraut.
Diese Kiesingers und Kissengers
diese Kommanditgesellschaften
mit beschränkter Haftung,
Kunstdüngerfabrikanten
und Kunstrasenproduzenten,
diese Kaumzuglauben~ und
Dukannstmichmalmichel,
diese K~u-K-Gruppen,
Ku-Klux-Klan, Kaugummikauer
und Kernkraftwerkplaner,
warum sollte man die nicht
verbieten?
1
Als die Regierung
Das Denken verfolgte,
die Ausbildung maßregelte
und für Ordnung sorgte,
sagte das Volk,
hier geschieht Un
Recht wurde
überstimmt
2
Als Terroristen
den Staat nicht erpressen
konnten,
war viel von der Solidarität
der Demokraten die Rede.
Die Macht war leicht
zu erkennen, das Volk
kontrollierte sie nicht.
Wer übte die Solidarität?
3
Alle Macht
geht vom Volke aus
auf Stimmzetteln
alle vier Jahre.
Die Gewählten,
sagt man, wissen schon,
was sie tun,
was zu tun ist.
Aber weiß,
wer wählt, das Volk,
was es tut,
was getan werden muß.
Alle Macht
geht vom Volke aus.
Aber wovon geht das Volk
aus.
Wer wählt die Wähler.
*) griech.-lat. "Volksherrschaft",
w; -, ...ien: Regierungssystem, in dem im Gegensatz zur Diktatur der Wille
des Volkes ausschlaggebend ist.
Gewählt vom Volk,
seine Gschäfte zu führen
und seines Amtes zu walten,
wurde das verwaltete Volk
seiner Geschäftsträger
müde,
quittierte den Dienst.
Nicht die Berufe
wurden verboten,
sie auszuüben,
wird unter
sagt.
gedanken
in worte gekleidet
in sätze gebracht
worte kann man erkennen
vorsätze nicht
Auch ein Kommentar zum Scheidungsgesetz / dialogisch
Komm laß uns
bumsen Alte der
Plumpsack geht rum
geh doch zum
Teufel Alte und
laß mich in Ruh
bleib noch ein
Weilchen Alte denn
Scheiden tut weh.
Ich will dich
nicht bumsen Alter
du kotzt mich an
ich will meine
Freiheit Alter
jetzt und sofort
und überleb schön
Alter dann
komm ich schon klar.
:
Komm laß uns
bumsen Alte der
Plumpsack geht rum.
Ich will dich
nicht bumsen Alter
du kotzt mich an.
Geh doch zum
Teufel Alte und
laß mich in Ruh.
Ich will meine
Freiheit Alter
jetzt und sofort.
Bleib noch ein
Weilchen Alte denn
Scheiden tut weh.
Und überleb schön
Alter dann
komm ich schon klar.
:
Komm laß uns
ich will dich
bumsen Alte der
nicht bumsen Alter
Plumpsack geht rum
du kotzt mich an.
Geh doch zum
ich will meine
Teufel Alte und
Freiheit Alter
laß mich in Ruh
jetzt und sofort.
Bleib noch ein
und überleb schön
Wilchen Alte denn
Alter dann
Scheiden tut weh
komm ich schon klar.
:
Komm laß uns
geh doch zum
bleib noch ein
ich will dich
ich will meine
und überleb schön
bumsen Alte der
Teufel Alte und
Weilchen Alte denn
nicht bumsen Alter
Freiheit Alter
Alter dann
Plumpsack geht rum
laß mich in Ruh
Scheiden tut weh
du kotzt mich an
jetzt und sofort
komm ich schon klar.
:
Komm
geh
bleib
ich
ich
und
bumsen
Teufel
Weilchen
nicht
Freiheit
Alter
Plumpsack
laß
scheiden
du
jetzt
komm.
1
Jeder siebte, lese ich,
lebt vom Auto.
Das ist gewiß übertrieben.
Dennoch verstehe ich,
daß der Bau von Autos
wichtig sein muß.
Ich habe kein Auto.
Ich verdiene nicht schlecht.
Das belastet.
2
Der Konsum, lese ich, soll
angeheizt werden.
Die Qualität sei für
den baldigen Verbrauch bestimmt.
Ich brauche nicht viel,
obwohl was ich brauche
auch nicht von Dauer ist.
Der gewendete Mantel meines
Großvaters,
den ich gegen die Kälte
trage,
war nie nach der Mode.
3
Der Erwerb von Eigentum,
lese ich,
sei dem Staat wohlgefällig.
Er unterstützt ihn.
Seit ich ein altes Haus
gekauft habe,
für meine zweite Frau,
drei Kinder, für Hund und Katze,
schlafe ich schlecht, wenn
ich denke,
so schnell kommst du hier
nicht mehr weg,
wenn es mal sein muß.
Gedicht
für meinen 14 Jahre alten Sohn,
als er für ein Mokick
sparen wollte
Ich würde gerne sagen,
laß uns
über den Fluß
in die Wälder gehen.
Aber in ihnen bist du an
der Leine zu führen,
und vom Schwimmen in Seen
und Flüssen
liest du nur mehr im Gedicht.
Gedicht
für meine gerade 12 Jahre alte Tochter,
als sie auf dem Wege
nach Hamburg mit vorgehaltener Maschinenpistole
aus dem Auto ihrer Mutter
befohlen wurde
Du willst manchmal noch
Kriegen spielen, auch Verstecken
möchtest du dich manchmal
schon wieder. Vergeblich,
der große Bruder
hat dich schon
im Visier.
Gedicht für meine 11 Jahre alte Tochter am Waldrand
Ein Schmetterling, sagen
sie,
sei'st du. Am grünen
Bach
sind die Vögel weiß
und am blauen Berg
wachsen die roten Blumen.
... nach der Geburt noch
begleitet
von deiner Schwester, die
vorausging,
die Augen geschlossen, sah
ich
eine Spur Blut in deinen
Haaren
In
den letzten Jahren
fiel es ihm schwer, zuzuhören
auch schlief er viel und
vergaß wohl auch wo
er war
drei Söhne hatte er
gezeugt
die Mutter faltete die Hände
als der Tod in endlich erreichte
als er begraben wurde
stand die Sonne im Mittag
und der Herbst vor den Tür
deine Lippen sind schmal
geworden
und die Falten senkrecht
zu ihnen
werden schärfer
noch küßt du als
wäre nichts gewesen
aber die Vergangenheit holt
uns ein
auf dem Weg in die Zukunft
Immer
ist er dabei der Schatten
du kannst nicht über
ihn springen
trägt er die Ruten
das leichtere Bündel
spring doch trifft heimlich
spring doch
wird länger du kannst
nicht
selbst wenn du gehst
er folgt dich nach
Wenn
der Bärlauch blüht so
Ende Mai Anfang Juni gartenlängs
und waldeinwärts, wenn
der
heisere Schrei des Bussards
die Klinge kreuzt und den
Kindern
den Atem verschlägt,
wenn
die alten Bilder ausgemottet
werden
vom Messer an der Kehle,
dem Herbst
des Mittelalters, dem Kehraus
und
ich mich verlasse auf diesen
Dienstag
Das
Glas Weißwein
vor dem Schlafengehen
in Opposition gegen
die schwarze Galle
eine billige Ausrede
vor den Alpträumen
der Nacht
Sechzehn
Jahre noch
tun was getan werden muß
den Befehlen gehorchend
im Wettlauf mit der
sinnlos vertanen Zeit
die Jahre zählend
später die Tage
die Stunden zu müde
für das was zu tun
war
In Arkadien war nicht noch
nicht
aber auf Friederikes Tollkirschenhochzeit
hab ich getanzt
Belladonna D 3
der Sohn Epileptiker
man macht was mit
immer diese Italienreisenden
an Weihnachten
auch Jugoslawien
Griechenland (Hellasexpress)
und die Türkei
blau stelle ich mir das Mittelmeer
vor
in den Prospekten
ich gebe nichts auf Gerüchte
obwohl ich gelesen habe
daß Mexiko ein erfundenes
Land ist
buche ich morgen einen Besuch
bei den Azteken
im Golf soll es brennen
Reisen bildet
die Ansichtskarten sind alle
verteilt
Dias retten den Abend mit
Freunden
auch sind noch einige Raten
zu zahlen
für Haus und Auto
und der Kredit für
den Sommer in Spanien
zurückgekehrt zu Wiener
Wald und MacDonalds
die Hamburgers sind auch
nicht mehr
was sie mal waren
auch kann ich sie mir im
Moment nicht leisten
überhaupt die Familie
gestern die Älteste
schon wieder nach Mitternacht
eigentlich müßte
ein neuer Fernseher her
und der Sohn siehe oben
im November beginnt Karneval
und mit Weihnachten ist
auch schon zu rechnen
Die
Erde sei eine Scheibe,
glaubte man, sie war eine
Kugel.
E pur si muove, soll Galilei
gesagt haben,
man heizte ihm ein.
Später flog man zu
Mond.
Die Welt sei klein geworden,
heißt es, die Zukunft
stehe in den Sternen geschrieben
Als
Armstrong Aldrin und Collins
zum erstenmal um den Mond
flogen,
fiel ihnen die Schöpfungsgeschichte
ein,
ich will ihnen glauben.
Der Countdown läuft
six
five
four
three
two
one
und die Erde wird wieder
schön sein
wüst und leer
In der Schöpfung der
Wurm drin
die Erde ein physikalischer
Zufall
Sandkastenspiele soweit
das Auge reicht
Die unerhörten Gebete
der abgetriebenen Kinder
Come back little Sheba
Maikäfer flieg
Lektüre statt Schlaf
das Leben ein Fortsetzungsroman
morgen ist auch noch ein
Tag
Landschaft mit Kühlturm
Nicotiana
tabacum
Nachtschattengewächs
wie Kartoffel oder Aubergine
wenig nüzliche Schatten
Spiele nachts zwischen
Lampe und Buchrücken
Indianerkrautgedanken
Marterpfahl
Mannbarkeitsriten
Geschmack von wildem Wein
auf der Zunge
Rauchzeichen
fast schon vergessen
das Krainer Tollkraut
die Kannibalentomate als
Zukost
bittersüße schwarze
Nachtschatten
mein Freund der Medizinmann
Rauch der sich auf löst
26.1.1980
Zum
Beispiel Sandelholz
jedenfalls die besseren
Sorten
für Kapitänsfrauen
und -kajüte
für unsereinen keine
Frage
ich arbeitete die Überfahrt
ab
blinder Passagier
zwischen Kieloben und Holüber
sei der Fährmann an
Bord gekommen
als Lotse verkleidet
angerichtet der Ölblattsalat
und ausgeflogen die gebratenen
Tauben
zur Abendzeit
wenig Hoffnung für Robinson
heute ist Donnerstag
die Ankunft totsicher
14.2.1980