hat Wolfgang Ehehalt seine heutige Ausstellung getitelt und damit, anders als sonst, kein spezielles Thema vorgegeben. Sie erinnern sich vielleicht: die letzte größere Ausstellung in der Galerie Folkmar von Kolczynski, noch in der Reinsburgstraße, war "Masken" getitelt. Daß es sich bei den heute gezeigten "Objekten und Collagen" dennoch nicht um einen Gemischtwarenladen handelt, will ich in der nächsten Viertelstunde zu zeigen versuchen. Und dazu lasse ich erst einmal die einzelnen Exponat-Gruppen Revue passieren.
- Da wären - auch von ihrer Entstehungszeit her - zunächst drei Herzobjekte zu nennen.
- Ebenfalls auf ältere Arbeiten zurück verweist der Vierteiler "Wenn das blaue Meer nicht wär".
- Weitere Arbeiten sind auffällig als Produktionen eines "Stubenmalers" ausgewiesen. Unter ihnen eine "Cafebar des Stubenmalers", die auf die früheren Küchenobjekte zurückverweist.
- Eine andere, "Sammlung des Stubenmalers" getitelte Arbeit ist auf einem in dieser Ausstellung häufigeren Bildgrund, einem Apfelsinenkistendeckel organisiert, der Wolfgang Ehehalt ebenso wie die Seitenteile von Apfelsinenkisten als Bildträger für seine Objektcollagen reizte, wobei das auf dem mittleren Brett des Kistendeckels lesbare Maroc über die Schrift hinaus der Arbeit auch einen exotischen Touch gibt. Die meisten von Ihnen werden es bei der Einladungskarte vermutlich so empfunden haben.
- Rechnet man die Apfelsinen zu den Kolonialwaren, kann man die "Sammlung des Stubenmalers" zwischen den Küchenobjekten Ehehalts und den seine Afrikareisen thematisierenden Arbeiten einordnen, die in exemplarischen Beispielen ebenfalls in der heutigen Ausstellung präsent sind.
- Schließlich lassen sich die Raumobjekte "O du fröhliche" und "Archiv der 6 Farben" in der Tradition der "Hüllen" verstehen, mit dem Unterschied freilich, daß die "Hüllen" zeigten, was übrig bleibt, wenn der Mensch seine Hülle verlassen hat, während die beiden Raumobjekte zeigen, was der Mensch aus gegebenem Anlaß sammelt bzw. gesammelt hat.
Ich werde nach diesem Überblick etwas unüblich verfahren und mich im Folgenden an Stichworte halten, die mir der Überblick vorgibt. Und ich beginne mit dem
Stubenmaler
Auffällig, hatte ich
gesagt, sind einige Arbeiten dieser Ausstellung als Produktionen des Stubenmalers
ausgewiesen, Arbeiten, die sich vermehren ließen, wenn man z.B. aus
der Bali-Serie hinzuzöge: den "Stubenmaler in den Tempeln", den "Stubenmaler
bei den Gewürzhändlern" oder den "Stubenmaler im Reisfeld".
Freunde des Künstlers wissen, daß sich Wolfgang Ehehalt in allen möglichen Formen seinen Arbeiten einverwandelt. Wenn er sich diesmal auffällig als "Stubenmaler" bezeichnet, nimmt er für sich etwas in Anspruch, das es nach dem neuen Reformduden gar nicht oder nicht mehr gibt. Denn der kennt lediglich den Stubenältesten, Stubenarrest, Stubendienst, die Stubenfliege, den Stubengelehrten, den Stubenhocker, und dessen Stubenhockerei. Schließlich gesellt sich dem selbstverständlich stubenreinen Stubenmädchen noch der Stubenwagen. Aus diesem Repertoire kommt für Wolfgang Ehehalt also nur die Stubenfliege in Frage, von der er bekanntlich exzessiven Gebrauch auch außerhalb seiner Kunst macht.
Etwas besser sieht es für den Stubenmaler aus, wenn man in Grimms "Deutschem Wörterbuch" nachschlägt, das neben vielen im Duden nicht [mehr] verzeichneten Komposita auch einen Stubenteufel kennt, für meinen Zusammenhang aber wichtiger den Stubengenossen bzw. Stubengesellen verzeichnet, womit Mitglieder der Zunftstube gemeint sind, und eben den Stubenmaler. Ich zitiere:
stubenmaler, m., vereinzelt bezeichnung des handwerkerstandes, heute anstreicher, im gegensatz zum kunstmaler.
Die Belege, die der Grimm
gibt, lauten:
- der stubenmaler soll
wände und gewölbe decke im gothischen geschmack bemahlen
- unter den baugewerben
machen sich am meisten die der zimmerer wie der stubenmaler bemerkbar.
Schließlich belegt der Grimm noch die Stubenmalerarbeit, den Stubenmalergesellen und die Stubenmalerei.
Ich habe mich vergewissert, daß Wolfgang Ehehalt, der ja vor seinem Besuch der Kunstakademie eine Anstreicherlehre absolviert hat, diese alte, in Österreich gelegentlich noch gebräuchliche Bezeichnung des Anstreichers als Stubenmaler geläufig ist. Und da man bei seinen Arbeiten sehr wohl auf die Titel achten muß, bezieht er mit dieser Selbstcharakterisierung für seine Arbeiten eine Position, die etwa besagt, daß Kunst für ihn immer Handwerk ist, daß Handwerk auch Kunst sein kann. Und er opponiert damit gegen die überzogeneVorstellung des Künstlergenies, ein mißbrauchtes Avantgardeverständnis, einen auf schnell wechselnde Performances und Events fixierten Kunstmarkt.
Er schlägt aber auch, bewußt oder unbewußt, den Bogen zurück zu den Wurzeln der Avantgarde des 20. Jahrhunderts, in die Zeit der Genieperiode und frühen Romantik. Damals ließ Novalis bekanntlich seinen Künstlerroman und utopischen Entwurf "Heinrich von Ofterdingen" im Mittelalter spielen, ließ Ludwig Tieck seinen in die Niederlande und nach Italien wandernden "Franz Sternbald" einen Dürer-Schüler sein und Clemens Brentano gar ließ in seinem "verwilderten Roman" "Godwi" den erzählten Erzähler sterben und die von ihm erfundenen, plötzlich autorlosen Figuren realiter nach Italien auswandern.
Man erklärt dies und noch die Beschreibung des berühmten Münchner Faschingsumzugs in Kostümen der Zeit Maximilians, den Gottfried Keller im "Grünen Heinrich" zitiert, -
man erklärt dies heute als Versuche, die Rolle des seit dem Sturm und Drang prometheisch emanzipierten Künstlers in der Gesellschaft neu zu verstehen, sein Selbstverständnis neu zu bestimmen. Wobei man nicht übersehen darf, daß sich diese utopischen Entwürfe zurückerinnern an ein geordnetes Stände- und Zunftwesen, das dem Künstler seinen gesellschaftlichen Platz zuwies.
Wie weit, frage ich, ist Wolfgang Ehehalt, wenn er sich als "Stubenmaler" deklariert, von diesen Überlegungen entfernt?
Blau
Mein zweites Stichwort lautet
Blau. Seit uns Novalis im "Heinrich von Ofterdingen" die blaue Blume bescherte
und Eduard Mörikes Frühling sein vielbesungenes blaues Band flattern
ließ, ja Blau zur "romantischen" Farbe schlechthin geworden ist,
sind andere Bedeutungsschichten und -nuancen verloren gegangen, z.B. ,
daß "blaauwe Bloempjes" (blaue Blumen) auch Lügen bezeichnen,
ebenso der "blaue Dunst", der heute nur noch synonym für Tabakrauch
gebraucht wird. Auch das blaue Wunder stand ursprünglich für
mehr und anderes als nur den alkoholischem Ekzeß.
Auf solche anderen Bedeutungsschichten und -nuancen zielt Wolfgang Ehehalt, wenn er die vierteilige Arbeit dieser Ausstellung "Wenn das blaue Meer nicht wär'" überschrieben hat. Denn das Meer ist eben nicht mehr blau, so es dies je war. Es ist zur Kloake verkommen, ein für Ehehalt übrigens nicht neues Bildthema. Da schwammen bereits Anfang der 90er Jahre in einer "Meeresrauschen" getitelten Arbeit neben einem lebenden, den Bauch nach oben, zwei tote Fische herum. Ferner ein Pinsel, ein Stück Holz, lief rechts im Hintergrund Öl aus einem brennenden Tanker, während eine einsame Möve Anstalten machte, den Bildraum nach links zu verlassen. All dies unter Zuhilfenahme von Lack wie ein Hochglanzprospekt geschönt. Dabei konterkarierte das listig eingeschmuggelte Logo des Dualen Systems jegliches romantische Mißverständnis, das der ins Bild eingeschriebene Titel "Meeresrauschen" vielleicht hervorrufen könnte. Dem Lack von damals entspricht in den Arbeiten der letzten Jahre ein knalliges Blau.
Daß es Ehehalt um einen, um diesen subversiven Gebrauch der Farbe Blau geht, ließe sich ferner mit einem Objektkasten, ebenfalls bereits aus dem Anfang der 90er Jahre, belegen, in dessen Titel sich ironisch etwas, das uns am Herzen liegt, mit das Blaue vom Himmel lügen verbindet. Eine Erinnerung an die historische holländische Sprichwortmalerei ist durchaus erlaubt.
Herz
Dieser Objektkasten "Europa
am Herzen oder das Blaue vom Himmel" liefert mir zugleich das nächste
Stichwort: Herz, eine weitere ikonographische Konstante der Ehehaltschen
Kunst. Herzen sind sprachläufig der Ort, an dem man etwas bewahrt
oder bewegt (wie zum Beispiel Maria die Worte der Hirten). Zweitens und
volkstümlich ist das Herz Symbol der Liebe, eingeschnitten in die
Rinde zahlreicher Bäume, wiedergegeben in naiver Darstellung als flammendes
Herz oder vom Pfeil durchbohrt, blutend oder gebrochen. Drittens bleibt
das Herz trotz aller Chirurgie ein unersetzliches, da lebensnotwendiges
Organ.
Das alles muß mitbedenken,
wer sich den "Herzobjekten" Ehehalts nähern will, die zentral zunächst
einmal ausgestopfte [!] Herzen sind, von Schaschlikspießen, Pfeilen
oder auch Pinseln durchbohrt, oft nahezu gespickt. Dabei verlangen die
Pinsel eine besondere Aufmerksamkeit, stammen sie doch zumeist, wie auch
der Pinsel in "Meeresrauschen", aus dem Atelier des Künstlers. Ich
möchte dies so ausdeuten, daß sich der Künstler immer wieder
- als Stubenmaler - auch mit seinem Handwerkszeug in seine Arbeiten einbezieht.
Und ich verstehe dieses Sicheinbeziehen als Ausdruck der Betroffenheit,
als Hinweis darauf, daß das, was die Arbeiten verhandeln, auch Sache
des Künstlers ist: ein "tua res agitur", das Betrachter und Künstler
verbindet. Wobei, wie bei eigentlich allen Arbeiten Ehehalts, auch bei
den "Herzen" genau auf die Titel zu achten ist, wenn der Künstler
zum Beispiel sein "Herz für Sportler" oder sein "Herz für Zwerge"
entdeckt
Hülle
Ist das Herz das zentrale,
das innerste Organ des Menschen, entspricht ihm als Äußeres
die Hülle, die ihn schützt, die ihn (ver)bergen kann, die aber
auch zurückbleibt, wenn er sie verläßt. Man kann dies in
der Ehehaltschen Werkgeschichte, z.B. bei der "Hülle[n] des Wildhüters",
"[...] der Wildhüterin" oder "[...] des Poeten" so deuten, als zeige
das Objekt das, was von einer Person zurückbleibt, wenn die schützende
Hülle verlassen wurde. Das entspräche durchaus der Umgangssprache
und wird zugleich hintersinnig, wenn man sich vergegenwärtigt, daß
unsere Sprache die Bezeichnungen fleischliche, leibliche, irdische Hülle
auch für den vergänglichen Körper des Menschen im Gegensatz
zu seiner immateriellen Seele verwendet. In "O du fröhliche" und "Archiv
der 6 Farben" würde Ehehalt dann die Tradition der Hüllen fortsetzen,
mit dem Unterschied freilich, daß die "Hüllen" zeigten, was
vom Menschen nach Verlassen der "Hülle" übrigbleibt, während
die Raumobjekte dieser Ausstellung versammeln, was der Mensch aus gegebenem
Anlaß zusammenträgt ("O du fröhliche") oder sich als Arbeitsmaterial
(z.B. im "Archiv der 6 Farben") zusammenstellt..
Objektkästen
Wolfgang Ehehalt ist Sammler.
Sammler sind Leute, die etwas aufheben. Meist, weil sie überzeugt
sind, daß er sich bei den aufgehobenen um seltene und vorzügliche
Gegenstände handelt, die man [dann] zur Besichtigung oder Erwerbung
vorzeigt. So jedenfalls definiert das Grimmsche Wörterbuch die
Rarität.
Allerdings: die Gegenstände, die Wolfgang Ehehalt auf und in seinen
Arbeiten versammelt, sind weder selten noch vorzüglich,
es sind vielmehr und vor allem Dinge des täglichen Abfalls, die schon
Kurt Schwitters oder, für Stuttgart und die Galerie Folkmar von Kolczynski
näherliegend, Heinz Hirscher interessierten und die heute Wolfgang
Ehehalt des Aufhebens und Vorzeigens für wert erachtet.
Dabei ist ein Charakteristikum der Ehehaltschen Kunst seine Neigung zu überraschender Kombination heterogenster Elemente, wobei der "Stubenmaler" durchaus so etwas wie ein unsinnige Syntax oder Kombinatorik entwickelt. Wie Ehehalts "Herzobjekte" müssen auch seine "Objektkästen" in der Tradition volkstümlicher Ikonographie gesehen werden, die sich der Künstler auf eine hintersinnige Weise anverwandelt, konkret in der Tradition der Raritätenkabinette, speziell der Raritätenkästen.
Er zeigte, lese ich z.B. bei Friedrich Maler Müller, einer heute kaum noch bekannten Doppelbegabung der schon genannten Genieperiode, er zeigte uns auch sein Raritäten-Cabinet und wies uns die berühmte holländische Windmühle, worauf alte Weiber wieder jung gemahlen werden. In den Raritätenkästen, Guckkästen auf den Jahrmärkten wurden echte und weniger echte Raritäten angeboten. Sie waren dabei so etwas wie säkularisierte Reliquienschreine, die nur zu bestimmten Zeiten Reliquien öffentlich zur Schau und zu kritiklos öffentlicher Verehrung ausstellten. So wurden zum Beispiel, einer Chronik zufolge, an Michaelis als Reliquien im Magdeburger Dom gezeigt:
Ein Stück der Laterne des Judas Ischariot;Freilich, was die Objektkästen Ehehalts sammeln, sind weder verehrungswürdige Reliquien noch vermeintliche Raritäten, es sind die Abfälle unserer Zivilisation, die wie Raritäten, wie Reliquien aufbewahrt und zur Schau gestellt werden. Wolfgang Ehehalts Objektkästen bedeuten nichts außer sich selbst, sie zeigen, was sie zeigen, wobei sie die Dialektik zwischen ihrer Tradition (Reliquienschrein, Raritätenkasten) und dem Vorgezeigten (Wegwerfgesellschaft) nicht aufheben bzw. austragen. Was zugleich eine Absage an das Austragen, ein künstlerisches "Aufheben" der Gegensätze im Hegelschen Sinne wäre, ein Bekenntnis eben nicht zur synthetisierenden Kraft der Kunst sondern zum unaufhebbaren Widerspruch.
ein Splitter von der Leiter, auf welcher der warnende Hahn des Apostels Petrus gesessen hatte;
das Waschbecken des Pilatus;
eine Rippe vom Walfisch des Propheten Jonas;
eine Schleife vom Pantoffel der Jungfrau Maria;
vier Blätter von den Palmen, die das jüdische Volk Jesus bei seinem Einzug in Jerusalem unter Hosiannahrufen zu Füßen legte;
und eine Scherbe von einem der Wasserkrüge, die bei der Hochzeit von Kana Verwendung fanden.
Für die flüchtige Kunstkritik ist Wolfgang Ehehalt der Mann mit der Fliege, ein Künstler allenfalls, dessen Sammelwut [...] jedes gestalterische Konzept überrennt, jedes Titelkorsett sprengt. Aufmerksamere Betrachter entdecken dagegen, daß Ehehalts skurrile, mit einem gehörigen Schuß Selbstironie versehene Objekte keinesfalls beliebig zusammenvariiert sind, daß seine Bilder und Collagen, seine Objektkästen, seine Zeichnungen und Radierungen wie eh und je Unverbindlichkeit und Gemütliches untergraben. Erst, wenn man Ehehalts Arbeiten Schicht für Schicht gelesen, wenn man seine Collagen decollagiert und dabei das Wechselspiel ihrer Techniken und Elemente erkannt hat, erschließen sich die ästhetisch gebrochenen Spiegelungen unserer alltäglichen, so banalen Wirklichkeit ebenso wie die ästhetisch gebrochenen Spiegelungen Ehehaltscher Reisen.
Reisen
Ich komme noch einmal auf
den Stubenmaler zurück. Wie die meist fiktiven Reisen der Frühromantiker
sind auch die konkreten Reisen Wolfgang Ehehalts rückwärts gewandte
Utopie. Das bringt vor allem die afrikanischen Bilder dieser Ausstellung
ins Spiel, die bis hin zu Kernseife und Erde (etwa im Triptychon) Fund-
und Sammelstücke Wolfgang Ehehalts in einer ihm eigentümlichen
Syntax und Grammatik anordnen. Ich möchte sie (wie auch andere Arbeiten,
die auf Wolfgang Ehehalts Reisen rekurrieren,) als eine Art ethnologische
Collagen bezeichnen, die die materielle Kultur der Eingeborenen (Werkzeuge,
Gebrauchsgegenstände, Essengewohnheiten), ihre ästhetisch-ideologischen
Systeme (Kleidung, Bemalung, Riten und Mythen) untersuchen. Und die dabei
demonstrieren, daß die einstmals hochentwickelte und differenzierte
Kultur der "Wilden" nur noch in ihren erbärmlichen Überresten
rekonstruiert werden kann. Trauer und Anteilnahme finden also in diesen
Arbeiten ihren Ausdruck, etwa im ausgestellten Triptychon, das Vergangenes
noch einmal erfahrbar machen möchte und gleichzeitig von der schockartigen
Erfahrung des Fremden spricht. Das ist von "Heinrich von Ofterdingen[s]"
Reise ins Mittelalter, die ja Fragment geblieben ist, von "Franz Sternbald[s]"
ebenfalls fragmentarischer niederländischer und italienischer Reise,
vom Münchner Fastnachtsumzug in Kellers "Grünem Heinrich" soweit
gar nicht entfernt. Aber auch nicht von einer anderen Reise, von der eines
der letzten Gedichte Heinrich Heines erzählt. Wolfgang Ehehalt kennt
dieses Gedicht nicht. Aber er hat auf seiner letzten Afrikareise eine vielleicht
vergleichbare Erfahrung gemacht. "Sipilou, wo ist Sipilou" hat er jenes
seiner afrikanischen Bilder überschrieben, das eine vergebliche Reise
und Suche nach einer Urwaldstadt thematisiert. "Bimini" heißt der
Ort, das Reiseziel in Heinrich Heines Gedicht.
Negative Utopie und das
umgekehrt Erhabene
Ich will das sehr komplexe
späte Heinegedicht nicht interpretieren, sondern nur auf die Parallele
hinweisen, die ich zwischen der Reise Juan Ponce de Leons nach Bimini,
dem Ort ewiger Jugend, und den Reisen Wolfgang Ehehalts vor allem nach
Afrika, seinem vergeblichen Suchen von Sipilou ziehen möchte: die
Parallele der negativen Utopie.
Ausgangspunkt der Wolfgang Ehehaltschen Reise ist - wie ein permanent anwesendes Schwarzrotgold, tanzende Bauern, Eichenlaub, Hirsche, Förster, wie die zahlreíchen Arbeiten, auf denen angerichtet ist, und vieles andere -
Ausgangspunkt der Wolfgang Ehehaltschen Reise ist, leicht erkennbar, die bundesrepublikanische Wirklichkeit, die zugleich die erste und zentrale Adresse seiner Arbeiten, wobei bei aller närrischen Verspieltheit durchaus die Grenze zum Alptraum überschreiten kann.
Daß es aus diesem Alptraum weder im Rückblick auf unsere Kulturgeschichte (vgl. die zahlreichen 'Nippesfiguren' in Ehehalts Kästen) noch durch Reisen in andere Länder letztlich kein Aufwachen gibt, signalisiert die negative Utopie der afrikanischen Bilder. Das Vehikel der Ehehaltschen Demonstration ist das Collagieren, das Zusammenfügen heterogenster Elemente, die sich in ihrer Kombination im Sinne frühromantischer Ironie oft gegenseitig vernichten. Von der Ironie als dem alles vernichtenden Blick sprach zum Beispiel Karl Wilhelm Ferdinand Solger, während Jean Paul den Humor als das umgekehrt Erhabene verstand. Heroische Malerei hat Wolfgang Ehehalt stets zu meiden gewußt. Er hat seinen Blick statt dessen auf das Naheliegende gerichtet, selbst in Afrika. Das aber ist, zeigt uns seine Kunst, schlimm genug.
Geburtstag
Und jetzt wird dieser Künstler
auch noch 60. Es ist also Zeit, sein Gesamtwerk zu mustern, festzuschreiben,
daß dies ein Werk ist, dem Avantgarde stets Wurscht war, das Werk
eines Stubenmalers, der wie der sprichwörtliche Schuster bei seinem
Leisten blieb, ein Werk, das sich den Luxus einer kontinuierlichen Entwickelung
geleistet hat. Daß anzudeuten, habe ich zu einem Trick gegriffen
und einen Teil meiner Eröffnung aus Eröffnungen der letzten 15
Jahre collagiert. Wenn Wolfgang Ehehalts Werk sich, wie ich behaupte, durch
Konstanz und Konsequenz auszeichnet, müßte diese Eröffnungscollage
auch der heutigen Ausstellung gerecht geworden sein.
Wie ich der Stuttgarter Zeitung von Montag (8.11.1999) entnehme, hat der Bürgerverein Hofen dem "Ersten Hofmaler von Stuttgart", dem "Premier Peintre du Duc de Wurtemberg" Nicolas Guibal, ein Denkmal gesetzt. Johannes Auer und ich wollten solange nicht warten und haben deshalb dem ersten Stubenmaler von Stuttgart, Wolfgang Ehehalt, schon zu Lebzeiten eine Homepage mit email im Internet eingerichtet, die sich, wie es sich bei einen ordentlichen Stubenmaler und deutschen Anstreicher gehört, unter
http://www.kunsttod.de/friends/wolfgang/ehehalt.htmöffnen läßt. Auf dieser Homepage ist auch eine Galerie der Freunde eingerichtet und eröffnet, eine Ausstellung, an der sich jeder, der will, mit Bildern oder Texten oder Glückwünschen zum 60. Geburtstag Wolfgang Ehehalts beteiligen kann. Drei Exponate sind schon eingegangen:
[Galerie Folkmar von Kolczynski, 12.11.1999]