Man kann Bildern auf zweifache Weise das Wort reden. Man kann z.B. sagen, was auf den Bildern, denen man das Wort reden will, drauf ist, was der Maler darauf oder darauf herum gemacht hat. Dann würde man von den Bildern als von Produkten eines handwerklichen ästhetischen Prozesses sprechen. Und in dem Maße diese Produkte methodisch konsequent und redlich erscheinen, in dem Maße die Bilder ausgenscheinlich machen, was an ihnen und an der Methode des Künstlers dran ist, kann man auch auf die Glaubwürdigkeit ihres Herstellers schließen.
Man kann Bildern aber auch das Wort reden, indem man sie - gewissermaßen historisch - in einen Zusammenhang mit vergleichsweise ähnlichen Bildern anderer Maler bringt. Man kann daraus in etwa den Ort ersehen, an dem sich der Hersteller in einem Zusammenhang befindet. Und in dem Maße sich die Bilder eines Künstlers in dem Zusammenhang mit den Bildern anderer Künstler vergleichsweise als methodisch konsequent und eigenständig erweisen, kann man ebenfalls auf die Glaubwürdigkeit ihres Herstellers, auf die Redlichkeit seines Programms schließen.
Um nun den Bildern Jörg Dieterichs, die Sie hier neben einigen Grafiken ausgestellt sehen, das Wort zu reden, kann man von diesen Bildern und ihrer ästhetischen Problematik, also von dem, was auf ihnen gezeigt wird, sprechen, wie es Max Bense in seinem Katalogvorwort getan hat. Und man kann ebenfalls davon sprechen, wie diese Bilder innerhalb eines geschichtlichen Zusammenhangs zu sehen sind.
Um zunächst von Jörg Dieterichs Bildern innerhalb eines geschichtlichen Zusammenhangs zu sprechen, wird man in einer ersten Eingrenzung von dem Problem der Selbständigkeit der Farbe sprechen müssen, an das Kandinsky (neben der möglichen Selbständigkeit der Formen) gedacht hat. Und man kann Jörg Dieterich dann etwa in einer Nachfolge Kandinskys sehen, in der er freilich primär farbmaterial denkt, indem die Selbständigkei der Farben insbesondere für ihn Problem und Programm ist. Jörg Dieterichs Bilder sind also ästhetische Welten, die sich aus Farben zusammensetzen, und nicht etwa Welten, die farbig gemacht, die bunt angestrichen sind.
In einer zweiten Eingrenzung wird man an einige Bilder Nikolas de Staels denken, die mit ihren aufgetragenen Farbflächen bzw. Farbformen eine Möglichkeit der Lösung des Problems der Selbständigkeit der Farbe in die Diskussion brachten. Man wird aber auch daran denken müssen, daß Nikolaus de Stael gegen Ende diese aufgesetzten Farbflächen bzw. Farbformen zu etwas zusammentreten ließ, das für den Betrachter die Erinnerung an die Figur, an den Gegenstand (etwa eines Fußballspielers, eines Akts etc.) wieder zuließ. In diesem Zusammenhang erscheinen die Bilder Jörg Dieterichs in ihrer nur farbmaterialen Konzeption als methodischer Fortschritt der Reduktion auf das pure Material Farbe, mit der er umgeht, das er handhabt. Erscheinen die Bilder als Demonstrationen, reine Farbkonstellationen, die nicht mehr und nicht weniger bedeuten oder bedeuten wollen als sich selbst.
Was man also (über den Zusammenhang) hinaus sehen kann und was diese Bilder sozusagen zu Jörg Dieterichs macht, sind ganz zunächst die Farben bzw. Farbkonstellationen, die - um Max Bense zu zitieren - zeigen, was sie von sich selbst her sind. Nun fällt dabei ins Auge, daß diese bewußte Reduktion auf das pure Material Farbe für die Malerei Jörg Dieterichs Konsequenzen bedingt, die diesen Bildern deutlich abzusehen sind. So erscheinen die Farben nicht etwa in einfachem Aufstrich, vielmehr werden sie gerne in Schichten übereinander gespachtelt, wird sozusagen dick aufgetragen. Und es ist nicht etwa immer die gleiche Farbe, die aufeinandergespachtelt wird, vielmehr sind oft unter der Farbe, die schließlich dem Auge erscheint, andere Farben gleichsam unverfügbar vorhanden. Farben, die nur am Rande der Leinwand etwa, oder wo der Strich des Spachtels die Oberfläche zufällig aufreißt, rudimentär ihre Anwesenheit verraten. Man müßte in diesem Zusammenhang vielleicht noch anmerken, daß diese nur rudimentär sichtbaren, sozusagen unverfügbar vorhandenen Farbaufstriche des Malers nun nicht etwa dem Bilde eine Tiefe geben, eine Illusion des Raumes, sondern daß das Ergebnis trotz des reliefartigen Auftretens der Farben immer die Fläche bleibt, in der die Farben zu jeweiligen Farbkonstellationen zusammengetreten sind. Höchstens könnte man davon sprechen, daß eine dialektische Spannung besteht zwischen der scheinbar reliefartigen materialen Farbaufschichtung und der Fläche, in der die Farbkonstellationen dem Auge erscheinen. Sicher aber könnte man davon sprechen, daß diese nur rudimentär sichtbaren bzw. spürbaren Farbaufträge zwar unverfügbar bleiben, aber dadurch, daß sie spürbar bzw. sichtbar werden, ihrerseits den farbmaterialen Charakter dieser Malerei mitdemonstrieren helfen.
Aber noch etwas scheint bemerkenswert: im Gegensatz zu einer weitverbreiteten Gepflogenheit zeigen die Bilder Jörg Dieterichs keine Flächen, Formen (geschweige denn Gegenstände), die bunt angestrichen sind. Vielmehr ist - wie gesagt - die Farbe und ihre Konstellation Gegenstand dieser Bilder. Die aufgetragene Farbe begrenzt sich sozusagen selbst zur Farbform. D.h. die dreieckigen, viereckigen, rechteckigen, trapezigen etc. Formen erscheinen nur deshalb, weil der Farbauftrag durch den Spachtel z.B. und nicht anders begrenzt ist. Und so könnte man auch von einer gleichsam formlosen Malerei sprechen.
Es ist hier nicht der Ort und die Zeit, diese Punkte ausführlicher zu erörtern. Auch genügen die Feststellungen, um den Rahmen anzudeuten, in dem man den Bildern Jörg Dieterichs das Wort reden kann: methodisch gesprochen als konsequenten Reduktionen auf das pure Material Farbe und ihre Konstellationen (die übrigens nicht, wie einige Maler glauben, prädeterminiert sind, sondern von der jeweiligen ästhetischen Entscheidung des Malers abhängen). Und - um von den Ergebnissen zu sprechen - kann man vielleicht sagen, daß es sich bei den hier ausgestellten Bildern um Demonstrationen einer farbmaterialen Malerei handelt, die in ihrer konsequenten Realisation weder die Erinnerung an den Gegenstand noch die Erinnerung an Bedeutung zulassen. Wie das ästhetisch zu bewerten ist, besagt das Katalogvorwort Max Benses.
Bliebe schließlich noch anzufügen, daß hier neben den Bildern auch Grafik zu sehen ist, und daß diese Ausstellung in Auswahl einen Querschnitt durch zwei Jahre Arbeit zeigt.
Wir haben etwas über
Jörg Dieterichs Malerei gesagt. Wir wollten mit dem Gesagten beschreiben,
nicht werten. Schon deshalb nicht, weil eine Wertung schwer fällt,
solange eine Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist. Nur eines möchten
wir feststellen: grundsätzlich ist ein Bild, eine Grafik in dem Maße
gut, als sie das Problem und Programm des Malers, also das, was er auf
ihnen zeigen will, deutlich zeigen.
Wir meinen, daß die
Bilder und die Grafiken, die Sie hier sehen, deutlich etwas zeigen, und
auch: was an ihnen, an ihrem Maler und an seiner Methode dran ist. Man
kann Bildern das Wort reden. Man sollte sie besser einfach nur betrachten.
Und das - meine Damen und Herren - kann jeder nur für sich, zwischen
sich und den Bildern ausmachen.
[Galerie am Jakobsbrunnen, Bad Cannstatt, 13.7.1964 / Saarbrücken: Galerie Elitzer]