Reinhard Döhl | Max Bense. Mein Standpunkt
MEIN Standpunkt und der Kirschbaum oder die Wegfahrt und der Überblick oder die Handhabe und das Fortbleiben oder Josef. K. und der Vormärz oder die Polizei und das dritte Fenster oder ein Horizont und das zerrissene Blatt oder der Duft und der Anflug das Verwelkte und das Schiff oder das Unerwartete und das Wort oder die Zärtlichkeit und das Gehen oder das Lesebuch und das Selbst oder die Nachwelt und Paris oder das ermüdete Sein und noch ein Händedruck oder irgendwo und Niemand.
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Der vorliegende Text Max Benses ist den 1961 erschienenen "Bestandteilen des Vorüber" (1) und dort der ersten von drei als "Dünnschliffe" bezeichneten Textgruppen entnommen. Eine vorangestellte "Definition" (2) lautet:
DÜNNSCHLIFFE dienen der Bequemlichkeit der Erkenntnis, wenn die Materialien der Erfahrung noch im Zustand der Vermischung, seriell oder stochastisch, wahrnehmbar und unvergeßlich bleiben sollen (Mineralstil).
Eine weitergehende Erläuterung der "Dünnschliffe" als einer "Schreibweise" gibt Max Bense in den Modellen (3):
Es kennzeichnet die bisherigen Verfahren des Schreibens, daß man von Worten zu Sätzen, von Sätzen zu Zeilen, von Zeilen zu Perioden, Abschnitten, Passagen, Kapiteln etc. übergeht und auf diese Weise vom Element zum Text gelangt. Das Schreiben entwickelt sich dabei als methodische Hinzufügung bzw. Adjunktion,
Die Texte sind ADJUNKTIERTE TEXTE. Das Schreiben als methodische Zerlegung bzw. Substraktion kommt vom Text zum Element. Es ist eine Konsequenz statistischer und topologischer Textauffassungen. Es geht von einem makroästhetisch hergesteltten oder vorgefundenen Text aus und gewinnt daraus zerkleinernd ein abstraktes, konkretes, materiales oder intentionales kleinstes einheitliches Stück, das das statistisch oder intentional wesentliche strukturelle Element, eine ästhetische oder semantische Zelle, wie man sagen muß, aufzeigt. Solche mikroästhetischen Textstücke, zu deren Hervorbringung ebenso viel Methode wie Intuition der Auffindung gehört, sind echte minimale statistische Formen einer SEPARIERENDEN SCHREIBWEISE, die im Gegensatz zur adjunktierenden steht und deren Ergebnisse wir DÜNNSCHLIFFE nennen.
Schließlich spricht Max Bense im Kapitel "Textsorten" seiner "Theorie der Texte" (4) von "Textschliffen und Textstücken", damit die ursprünglich der Mineralogie (5) entnommene Bezeichnung eindeutig auf den Bereich der Sprache, des Textes ummünzend:
Eine Periode, ein Kapitel, ein Vers, eine Zeile usw. sind typische Textstücke im Sinne makro-textlicher Bestandteile. Der Textschliff (abgeleitet von Dünnschliff, gewissermaßen die erweiterte Form dieses von mir gebrauchten Begriffs) ist ein Textstück, in dem die strukturellen und semantischen oder nur die einen oder die anderen wesentlichen Momente eines (erweitert oder komplettiert zu denkenden) Textes in maximaler syntaktischer oder semantischer Verdichtung sichtbar werden. Es handelt sich beim Textschliff gewissermaßen um den (im materialen Sinne) vorgenommenen linguistischen Dünnschliff eines Textes zu einem mikroästhetischen Textstück... Textschliffe sind somit auch reduzierte Texte, die jedoch noch andere Klassifikationsmerkmale wie semantisch oder nicht semantisch, prädikativ oder mechanisch, konstruktiv oder automatisch zeigen müssen.
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Beim folgenden Interpretationsversuch können wir sogleich festhalten, daß sich der ansgewählte "Dünnschliff" durch nichts auszeichnet, was man traditionell von einem Gedicht erwartet (z.B. Vers, Strophe, Reim usw.). An keiner Stelle des Textes begegnet ein vollständiger Satz, vielmehr besteht der "Dünnschliff" wenn wir irgendwo als substantivisch gebraucht unterstellen, aus einer Reihung von 28 mit und oder oder verknüpften Substantiven. Formal durch die Struktur dieser Reihung charakterisiert, bleibt bei Prosasatz und fehlender Interpunktion jedoch offen, wie der Text genau zu lesen ist. Zwei Möglichkeiten vor allem bieten sich an:
1) MEIN Standpunkt und der Kirschbaum / oder / die Wegfahrt und der Überblick / oder / die Handhabe und das Fortbleiben / oder / Josef K. und der Vormärz / oder / die Polizei und das dritte Fenster / oder / ein Horizont und das zerrissene Blatt / oder / der Duft und der Anflug // das Verwelkte und das Schiff / oder / das Unerwartete und das Wort / oder / die Zärtlichkeit und das Gehn / oder / das Lesebuch und das Selbst / oder / die Nachwelt und Paris / oder / das ermüdete Sein und noch ein Händedruck / oder/ irgendwo und Niemand.
2) MEIN Standpunkt / und / der Kirschbaum oder die Wegfahrt / und der Überblick oder die Handhabe / und / das Fortbleiben oder Josef K. / und / der Vormärz oder die Polizei / und / das dritte Fenster oder ein Horizont / und / das zerrissene Blatt oder der Duft / und / der Anflug // das Verwelkte / und / das Schiff oder das Unerwartete / und / das Wort oder die Zärtlichkeit / und / das Gehn oder das Lesebuch / und / das Selbst oder die Nachwelt / und / Paris oder das ermüdete Sein / und / noch ein Händedruck oder irgendwo / und / Niemand.
In beiden Fällen scheint, bedingt durch das erwartete aber nicht gesetzte "oder", in der Mitte eine Zäsur vorzuliegen. Dann ergibt sich als weitere Lesemöglichkeit gleichsam das Umschlagen der Lesemöglichkeit 2 in die Lesemöglichkeit 1:
3) MEIN Standpunkt / und / der Kirschbaum oder die Wegfahrt / und / ... / und / das zerrissene Blatt oder der Duft / und / der Anflug // das Verwelkte und das Schiff / oder / das Unerwartete und das Wort / oder / ... / oder / irgendwo und Niemand.
Dennoch ist, wie die Gesamtstruktur, auch diese Zäsur nicht eindeutig, da man auch ohne Zäsur lesen kann:
4) ... / oder / ein Horizont und das zerrissene Blatt / oder / der Duft und [der Anflug das Verwelkte und das Schiff] / oder / das Unerwartete und das Wort...
5) ... / und / das zerrissene Blatt oder der Duft / und / der Anflug // das Verwelkte / und / das Schiff oder das Unerwartete / und / das Wort oder die Zärtlichkeit...
Eine Aufzählung von drei Substantiven (der Anflug das Verwelkte und das Schiff) ist jedenfalls im Kontext kaum weniger überraschend als eine plötzlich genaue Angabe (das dritte Fenster) oder der zweimalige Zusatz detailierender Adjektive (das zerrissene Blatt, das ermüdete Sein).

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Eine andere Möglichkeit, den Text anzugehen, bietet die Untersuchung eventueller Bedeutungskontexte. Die Struktur des Textes läßt als Vermutung zu, daß die durch und und oder verknüpften Substantive zu größeren Bedeutungsfeldern zusammentreten. Aber lassen sich zum MEIN Standpunkt und der Kirschbaum, die Wegfahrt und der Überblick, das dritte Fenster oder ein Horizont, das zerrissene Blatt oder der Duft und der Anflug das Verwelkte im jeweiligen Zusammenhang, wenn auch oft sehr freizügig. dennoch sinnvoll interpretieren, so ist Josef K. und der Vormärz oder die Polizei bereits nur noch auf den etwas allgemeinen Nenner der (anonymen) Gewalt zu bringen. Bei einer Vielzahl anderer Teilkontexte (als Beispiel: das Lesebuch und das Selbst) wäre jede versuchte Interpretation gewaltsam. Ferner: gehen z.B. die Polizei und das dritte Fenster und das dritte Fenster oder ein Horizont jeweils gut zusammen, würde die Polizei und das dritte Fenster oder ein Horizont semantisch unsinnig sein. Natürlich haben wir es hier - bei sinnvollen Teilkontexten - nicht mit Unsinnspoesie zu tun. Dem widerspricht auch, daß man - faßt man den Gesamttext ins Auge - einzelne Wörter über ihre jeweiligen Nachbarschaften hinaus gewissen Themenbereichen zuordnen kann. So gehören die Wegfahrt, das Fortbleiben, (das dritte Fenster), (ein Horizont), (das zerrissene Blatt), das Schiff, (das Wort), das Gehen, (die Nachwelt), noch ein Händedruck direkt (oder indirekt) in den Themenbereich des Abschieds, der Trennung. MEIN Standpunkt, der Überblick, das dritte Fenster, ein Horizont, irgendwo skizzieren einen weiteren Themenbereich; ebenfalls: der Kirschbaum, das zerrissene Blatt, der Duft, das Verwelkte. Das zerrissene Blatt läßt sich allerdings auch als zerrissenes Blatt Papier verstehen und würde dann in einen Zusammenhang mit das Wort, das Lesebuch gehören, dem man auch Josef K. (als Romanfigur) zuordnen könnte.

Wie die Struktur des Textes läßt sich also auch sein Inhalt nicht eindeutig fassen. Aber: wie die Struktur des Textes nicht zufällig und willkürlich ist, vielmehr außerordentlich streng ordnet, so besteht auch der Text nicht aus einer willkürlichen und zufälligen Reihung unzusammenhängender, im Kontext sinnloser Einzelwörter. Er wird vielmehr zusammengehalten durch mehrere über die einzelnen Teilkontexte hinausgreifende, miteinander thematisch verschränkte, wenn auch oft undeutliche Bedeutungsfelder, die gewisse Themen allgemein anspielen, ohne daß diese im Einzelnen durchgeführt würden: das Thema der Trennung, der Vergänglichkeit, der (anonymen) Gewalt usw. Man könnte vielleicht sagen, daß diese Themen gleichsam unreflektiert an der Oberfläche bleiben, im Zustand des Vorbewußten, hinter dem sich allerdings eine fraglos pessimistische Tendenz verbirgt. Ansatz und Schluß des Textes verstärken diese an den angespielten Themen ablesbare Tendenz, wenn MEIN Standpunkt schließlich zu irgendwo und Niemand aufgelöst, wenn Standpunkt ins irgendwo verallgemeinert und das Subjekt dieses Standpunktes (MEIN) durch Niemand aufgehoben wird. MEIN Standpunkt und nirgendwo und Niemand umfassen dann als dritte Klammer den - wie wir gezeigt haben - durch seine grammatikalisch-syntaktische Struktur wie die verschränkten Bedeutungsfelder in sich zusammengehaltenen Text.

Es bedarf kaum der Erwähnung, daß in der Formulierung MEIN Standpunkt kein lyrisches, kein in Bildern reflektierendes Ich eingeführt wird. Das hier stichwortartig angespielte Ich rekapituliert lediglich Wörter, bringt Wörter in einen grammatikalisch-syntaktischen Zusammenhang. Die von uns beobachteten Bedeutungsfelder ergeben sich also aus den Konstellationen der von diesem Ich rekapitulierten Wörter, den ihnen traditionell zugewiesenen Bedeutungen aber auch Gefühlsgehalten, bei Josef K. gar in der Andeutung ganzer Romaninhalte; und sie ergeben sich auch aus den bedeutungssteuernden Funktionen der gewählten grammatikalisch-syntaktischen Struktur.

IV
Wir zitierten eingangs, daß ein "Dünnschliff" als Reduktion eines komplettiert zu denkenden Textstückes aufzufassen sei, indem der Autor aus diesem die ihm wesentlichen Momente subtrahiere. Es scheint müßig, da unergiebig, für den vorliegenden Text den zugrunde liegenden Textraum exakt rekonstruieren zu wollen. Dennoch halten wir zwei Überlegungen abschließend für nicht uninteressant. Ein Blick auf das aufgewendete Vokabular zeigt, daß fraglos kein Gedicht zugrunde gelegen hat. Denkt man bei Handhabe, Polizei etwa an einen Polizeibericht, einen Kriminalfall, bei Josef K. an eine Buchbesprechung, einen literaturkritischen Essay, bei Paris an einen Reisefeuilleton, bei den lyrischen Bestandteilen vielleicht an das Gedicht einer Sonntagsbeilage, könnte der zugrunde liegende Textraum sehr wohl der einer Tageszeitung sein, aus dem die verwendeten Wörter als "Bausteine" ausgewählt worden wären. Dabei hätte das wählende Ich seine Wörter fraglos nicht nur blind, zufällig gewählt (6), sondern gemäß seiner Erfahrung (MEIN Standpunkt). Wir erinnern hier an die oben zitierte Definition der "Dünnschliffe": wenn die Materialien der Erfahrung noch im Zustand der Vermischung, seriell oder stochastisch, wahrnehmbar und unvergeßlich bleiben sollen. Denken wir uns die im vorliegenden Text vorgefundenen Materialien mit anderen Wörtern zu Sätzen und damit zu Aussagen entmischt, hätten wir es mit einem oder mehreren Prosasätzen zum Transport von Gedanken, Werturteilen, Lebensweisheiten usw. zu tun, die etwa die Themen der Trennung, der Vergänglichkeit, der (anonymen) Gewalt beträfen. Es ist nun bemerkenswert, daß die essayistische Prosa Max Benses eine deutliche Tendenz zur aphoristischen Formulierung hat; und wir halten, ohne es hier aus Raumgründen weiter ausführen zu können, für wahrscheinlich, daß bei den in Max Benses literarischen Arbeiten immer wieder begegnenden "Dünnschliffen" (7) eine vergleichsweise ähnliche Tendenz vorliegt. Weniger Gedichte, scheinen sie uns eher so etwas wie reduzierte Aphorismen. Dann würde MEIN Standpunkt die Subjektivität eines Urteils meinen und nicht ein lyrisches Ich. Die strenge grammatikalisch-syntaktische Struktur wäre weniger eine moderne Entsprechung syntaktischer Sonderformen wie Metrum, Rhythmus und Reim, vielmehr eine formale Entsprechung der oft stark rhetorischen Form des Aphorismus. Die abschließende Phrase nirgendwo und Niemand ließe sich mit der durch Überspitzung gewonnenen (oft witzigen) Schlußpointe eines Aphorismus vergleichen. Auch sähen wir dann in dem Zusammentreten der ausgewählten Wörter zu (oft unscharf abgegrenzten) Bedeutungsfeldern kaum die für das Lyrische behauptete Unschärfe der gegenständlichen Konturen und Sachverhalte zugunsten e. wirksamen Eigenlebens von Klang und Rhythmus der Sprache (8), mehr schon eine Parallele der im Aphorismus möglichen unmittelbar zusammenhanglosen Nebeneinandersetzung von Gedankensplittern. Das Subjektive, das Überspitzte, der Anspruch auf Allgemeingültigkeit des Aphorismus fordern vom Leser die eigene Auseinandersetzung. Uns scheint, daß auch die "Dünnschliffe" eine solche Auseinandersetzung fordern, indem sie dem Leser keinen eindeutig fixierten Inhalt, keine bestimmte lyrische Stimmung vermitteln, vielmehr die "Materialien der Erfahrung noch im Zustand der Vermischung" vorweisen. Zwischen ihnen und einem komplettiert zu denkenden, zugrunde liegenden Text klafft gewissermaßen eine Leerstelle, in die der Leser eintreten muß, um die vorgefundenen Materialien der Erfahrung aus dem Zustand der Vermischung herauszuführen, sie mit seiner bzw. in seine Erfahrung zu entmischen (9). Das aber kann ihm der Interpret nicht abnehmen.

[Zuerst in: Hilde Domin (Hrsg.): Doppelinterpretationen. Das zeitgenössische Gedicht zwischen Autor und Leser. Frankfurt/Main, Bonn: Athäneum 1966, S. 307-317. - Taschenbuchausgabe Frankfurt: Fischer Taschenbuch 1969]
 
Anmerkungen
1) Die "Bestandteile des Vorüber" stellen - sieht man von vereinzelten Veröffentlichungen im "augenblick" (z.B. "Montage Gertrude Stein", in: augenblick, Jg  3, 1958, H. 5, S. 42 f.; "Dünnschliffe", in: augenblick, Jg 4, 1960, S. 14 ff.; u.a.) und der 1960 publizierten "grignan-serie" (grignan-serie. Beschreibung einer Landschaft. = rot 1. Stuttgart 1960) ab - die erste umfangreiche Textpublikation Max Benses vor, nachdem er von 1954 bis 1960 mit den "aesthetica" seine Überlegungen zu einer Informationsästhetik in einem ersten Entwurf vorgelegt hatte: ("aesthetica I", Stuttgart 1954; "aesthetica II-IV: Ästhetische Information / Ästhetik und Zivilisation. Theorie der ästhetischen Kommunikation / Programmierung des Schönen. Allgemeine Texttheorie und Textästhetik", Baden-Baden und Krefeld 1956-60; "aesthetica I-IV. Baden-Baden 1965).
2) Bestandteile des Vorüber, S. 9.
3) Modelle. = rot 6. o.O. [Stuttgart] o.J. [1961].
4) Theorie der Texte. Eine Einführung in neuere Auffassungen und Methoden. Köln, Berlin 1962, S 137.
5) Dünnschliffe: dünne Plättchen von Mineralien oder Gesteinen zur mikroskop. Untersuchung. Sie sind, bei meist etwa 0,02 bis 0,04 mm Dicke, mit Ausnahme von Erzeinschlüssen, durchsichtig. Zu ihrer Herstellung wird ein etwa 2 cm großer Mineral- oder Gesteinsscherben mit gröberem Caborundpulver und Wasser oder Öl auf einer Stahlplatte, dann mit immer feinerem Caborund auf Glasplatten angeschliffen und mit Hilfe von Kanadabalsam mit der Schliffläche auf ein etwa 2 X 4 cm² großes Glasplättchen (Objektträger) gekittet. Darauf schleift man den Scherben bis auf die übliche Dicke ab und deckt ihn mit Kanadabalsam und einem dünnen Deckglas zu. (Zit. nach: Der Große Brockhaus. Wiesbaden 1953).
6) In diesem Zusammenhang aufschlußreich ist die Tatsache, daß bereits die Dadaisten Tageszeitungen als Textquelle ausgewertet haben. So notiert Hans Arp: "Öfters bestimmte ich auch mit geschlossenen Augen Wörter und Sätze in den Zeitungen, indem ich sie mit Bleistift anstrich... Ich schlang und flocht leicht und improvisierend Wörter und Sätze um die aus der Zeitung gewählten Wörter und Sätze..." ("Gesammelte Gedichte I", Wiesbaden 1963, S. 46). Und Kurt Schwitters schreibt im "Selbstbestimmungsrecht für Künstler". "Die Merzdichtung ist abstrakt. Sie verwendet analog der Merzmalerei als gegebene Teile fertige Sätze aus Zeitungen, Plakaten, Katalogen, Gesprächen usw., mit und ohne Abänderungen..." ("Anna Blume. Dichtungen". = Die Silbergäule 39-40. Hannover 1919, S. 37).
7) So in "Vielleicht zunächst wirklich nur. Monolog der Terry Jo im Mercey Hospital. = rot 11. Stuttgart 1963; "Die Präzisen Vergnügen. Versuche und Modelle." Wiesbaden 1964; u.a.
8) Gero von Wilpert, "Sachwörterbuch der Literatur". Stuttgart 1955, S. 332. Vgl. dazu auch Wolfgang Kayser, "Das sprachliche Kunstwerk" und Emil Staiger, "Grundbegriffe der Poetik".
9) Auf eine interessante Parallele in der bildenden Kunst können wir hier nur hinweisen: die Technik und das ästhetische Problem der Décollage. Vgl. dazu auch: Max Bense, "Köhlers Décollagen". In: augenblick, Jg 4, 1959, H. 1, S. 1 f.