Das Werk Atilas ist vielschichtig in mehrfacher Hinsicht Seine Wurzeln reichen zurück in die 50er Jahre, wo sich erste Spuren in einem durch die Namen Baumeister; Bense, Debus gebildeten Dreieck und in der Lithografie-Werkstatt der Stuttgarter Gruppe 11 ausmachen lassen, in der Atila Farben auf Lithosteinen verrieb und ersatzweise mit einer Farbigkeit zu spielen begann, die seine Arbeiten bis heute charakterisiert. Daß und warum ihn dann seine Entwicklung die Ende der 50er; Anfang der 60er Jahre durch eine schwere Krise unterbrochen wurde, von einer scheinbar konstruktiven zu einer vitalen, von einer spekulativen zu einer intuitiven Malweise führte, wird abschließend zu beantworten sein.
Das Werk Atilas ist zweitens vielschichitg, weil es neben Zeichnungen, Aquarellen und Olbildem durchaus gieichgewichtg lntegrationsversuche von Kunst und Architektur umfaßt die sich in Form von Mosaiken, Wandmalereien, Beton-Environments, Keramiken und Platten mit Emailmalerei realisieren. Hier ist Atila einer der wenigen Maler, für die Kunst-am-Bau nicht ein zusätzliches aber lukratives Geschäft darstellt, bei dem Bild- und Atelierprobleme mehr oder meist weniger glücklich für ein anders geartetes Medium adaptiert werden. Bei Atila ergänzen sich vielmehr architektonisches Wissen und künstlerische Intention des Malers auf fruchtbare Weise, erweist sich, daß Kunst auch Architektur sein kann, daß Architektur nicht ohne Kunst sein sollte. Erfolgreiche lntegrationsversuche Atilas resultieren dabei nicht nur aus dem Wie, sondern auch aus dem Was, aus der inhaltlichen Vielschichtgkeit und Spannung der Atilaschen Kunst.
Welcher Art diese Vielschichtigkeit drittens ist, läßt eine Radierung von 1975 in einer ersten Annäherung ablesen. Dem Betrachter erkennbar sind - von unten nach oben - ein tierähnliches Wesen mit menschlichen Extremitäten, das in auffälliger Weise auf dem Boden sitzt. Auf ihm hockend ein menschliches Wesen, auf dessen Kopf sich ein hutähnliches Gebilde befindet, das zugleich als Propeller angesehen werden muß, Das tierähnliche Wesen hat eine Schlange im Maul, die - wenn auch nicht mehr eindeutig als Schlange erkennbar - auf der linken Seite der Zeichnung zweimal repetiert ist, wobei einmal eine Verbindung von dem menschen- zum tierähnlichen Wesen hergestellt wird, undzwar zwischen dem (verdeckten) Mund des menschen- zur nach oben aufgehaltenen Hand des tierähnlichen Wesens. Im dritten Fall schlängelt die Schlange aus der nach oben aufgehaltenen Hand nach unten. Tier- und menschenähnliches Wesen wenden dem Betrachter den Rücken Die Köpfe sind jeweils Im Seitenprofil gegeben.
Bereits dies würde vordergrünndig Sinn ergeben. Die Schlange als ein Tier; das kriechend der Erde verhaftet ist; das tierähnliche Wesen, das sich dank seiner Extremitäten von der Erde erheben kann; das menschenähnliche Wesen, das - ebenfalls der Erde verhaftet - sich das tierähnliche Wesen untertan gemacht hat und sich, dank seiner technischen Intelligenz, den uralten Traum vom Fliegen erfül!en, also zeitweilig von der Erde abheben kann: der Mensch zwischen Tier und Technik, zwischen Himmel und Erde. Nur - das hätte man auch ganz anders darstellen können Und - Atilas Radierung will das auch gar nicht zeigen.
Bereits die auffällige
Dreigliederung - 3 Schlangen / 3blättriger Propeller / Tier Mensch
Flugzeug / kriechen sitzen fliegen - deutet auf Hintergründiges. Und
die auffällige Sitz- bzw. Hockweise des tier- bzw menschenähnlichen
Wesens weist die Richtung. Das links angezogene Bein bei beiden, beim tierähnlichen
Wesen das rechts abgewinkelte Bein, wobei der Unterschenkel weit zurückgebogen
ist, der Fuß das Gesäß berührt, das nach oben ausgestreckte
rechte Bein des menschenähnlichen Wesens, die Handhaltung des tierähnlichen
Wesens - all dies deutet auf Indien, wobei man beim menschenähnlichen
Wesen an erotische Zeichnungen und Miniaturen, beim tierähnlichen
Wesen nicht nur an mythologische lkonographie denken mag.
Damit stößt der
Betrachter beinahe schon an die Grenze des mit dem Auge Wahrnehmbaren,
wird aber ohne der Spekulation zu verfallen - noch nach der Spezies des
tierähnlichen Wesens fragen dürfen, dessen Kopfform auf Rind
oder Stier verweist (besonders, wenn man sich die Schlange aus dem Maul
fort auf den Schädel verpflanzt vorstellt). Die menschlichen Extremitäten
ordnen dieses rind- oder stierähnliche Wesen dem Bereich der Mythologie
zu. Und ein abendländischer Betrachter ird vieleicht als erstes an
den Minotaurus denken. Doch ist der Minotaurus so abendländisch garnicht
und hat im Nandi, dem Reittier des Gottes Shiva, einen indischen Verwandten.
Dieser titanische Stier gilt als Sinnbild der männlichen Zeugungskraft,
durch die das Dasein der Erde (indisch Go Kuh genannt!) immer wieder
neu
erschaffen werde Derselbe Nandi wird gelegentlich auch als stämmiger
Mann mit einem Stierkopf dargestellt. (1)
Einmal auf diesem Wege, sind ergänzende und weiterführende Anmerkungen möglich. So ist mir ein Relief bekannt, auf dem Shivas Gattin Kali auf einem Stier stehend dargestellt ist, auch wird Shiva gelegentlich, von wilden Gestalten umgeben, unter seiner Gattin Kali liegend abgebildet. Zu den Shiva umgebenden, mit ihm in Beziehung stehenden Tieren zählt neben dem Stier; neben Löwe und Tiger auch die Schlange. Noch einen Schritt weiter kommt man, denkt man noch einmal an Kreta zurück. Minotaurus, der Verwandte Nandis, lebte in einem Labyrinth (2), das der sagenhafte Techniker und Architekt Daidalos gebaut hatte. Daidalos war aber nicht nur der Erbauer des Labyrinths, er konstruierte für Pasiphae, die Gattin des Minos, auch jene künstliche Kuh, in der sie sich vom Stier begatten ließ und den Minotaurus empfing. Daidalos fertigte ferner für sich und seinen Sohn Ikaros die Flügel, mit deren Hilfe sie ihre tragische Flucht nach Sizilien wagten, und gilt seither als Erfinder des menschlichen Fluges, den Atila mehrfach, unter anderem in einer in diesem Zusammenhang interessanten Radierung gestaltet hat. Derselbe Daidalos war es schließlich, der den Faden spann, den Ariadne Theseus schenkte, ihm damit die Rückkehr aus dem Labydrith ermöglichend. Dieser Faden, erklärt die Symbolforschung, verbinde esoterische Technik mit kosmischer Liebeskraft, die besonders im indischen Tantnsmus von zentraler Bedeutung sei. Möglicherweise sei sogar - die Verbindung mit den kretischen Mysterien weise darauf hin - mit dem Ariadnefaden die Kundalini, die aufsteigende Schlange der Lust und der Erkenntnis gemeint.
Uber diesen Umweg ließe sich auch zu der Schlange, den Schlangen auf Atilas Radierung noch etwas anmerken. Die Kundalini gilt der indischen Mythologie als Zeichen der in den unteren Regionen des Körpers gespeicherten Energie, auf der [...] die psychologische Struktur des Menschen beruhe. Sie werde durch vorbestimmte Rituale geweckt und durchlaufe die im menschlicher Körper angelegten psychischen Zentren, um bis zur höchsten spirituellen Ebene der vollkommenen Entfaltung aufzusteigen, Das eröffne dem Menschen die Möglichkeit, seine Vorstellungen bewußt zu realisieren. Ziel der vollkommenen Entfaltung sei das Wachrütteln der schlafenden Zonen des menschlichen Gehirns, das Öffnen des nur gering genutzten Speichers von Gedanken und Bildern. Der Prozeß des Aufstiegs vollziehe sich durch asana, die Vereinigung von Mann und Frau. Ihre sexuelle Kraft werde in einen Strom umgewandelt, der kosmisches Bewußtsein entstehen lasse; das Dritte Auge werde geöffnet. Symbolisch werde die Kundalini als Feuerschlange dargestellt, welche im Normalfall unaufgerojlt in den unteren Regionen des Körpers verharre. Einen Vergleich mit dem Phallus oder Lingam (3) herzustellen sei nicht schwer.
Für den Betrachter der Atilaschen Radierung ist es jetzt möglich, ausgehend von diesem Vorwissen, eine Verbindung zu den Schlangen, dem phallusähnlichen Gebilde am Gesäß des tierähnlichen Wesens, zur Empfängnishaltung der frauenähnlichen Gestalt herzustellen. Um nicht mißverstanden zu werden: ich will mit dem zu dieser Radierung Gesagten nicht behaupten, sie oder andere Arbeiten Atilas ließen sich so ohne weiteres in mythologischer Allegorese Strich um Strich, Figur um Figur auslegen. Hier müßte manches unerklärt bleiben, so bereits, daß Atilas Schlangen nicht aufsteigen, sondern sich diagonal nach unten bewegen Dennoch ist in seine Radierung (vor allem durch das untere tierähniche Wesen) soviel mythologische Anspielung eingelegt, daß sich folgern läßt: die künstlerische Produktion Atilas bezieht wesentliche Energien aus der mytholgischen Anspielung, die zugleich eine wesentliche Bildschicht ist.
Die mythologischen Anspielungen Atilas erfolgen dabei keineswegs immer so eindeutig wie in der diskutierten Radierung. Vielmehr lassen sie sich oft nur indirekt oder auf Umwegen erschließen. Das gilt vor allem für die mythologischen Anspielungen, die auf dem Wege vom Vorbild zur Bildlösung bis ins kaum noch Erkennbare zurücktreten. Hier wäre als Exkurs einzuschalten, daß die Arbeiten Atilas keine (wie auch immer gearteten) Abbildungen von Wirklichkeit, keine - wie Atila formulieren würde - Imitation der Natur sind, daß ihre Vorbilder vielmehr oft in Museen hängen. Atila ist der besessenste Museenbesucher, den ich kenne. Zahlreiche gefüllte Skizzenbücher belegen diese Besessenheit. Und jede gewissenhafte Auseinandersetzung mit seinem künstlerischen Werk müßte diese Skizzenbücher einbeziehen. Denn nur mit ihrer Hilfe läßt sich zuverlässig ermitteln, was Atila beim jeweiligen Vorbild besonders ins Auge fiel. Nur mit ihrer Hilfe läßt sich im Enzelfall die für Atilas künstlerische Arbeit bezeichnende Bildgenese von der Skizze über das Aquarell, die Zeichnung zum endgültigen Ölbild (Emailbild oder Mosaik) studieren, ließe sich auch im Einzelfall ermitteln, welche mythologischen Anspielungen sich auf den Bildern zum Teil noch verbergen. Das gilt vor allem für diejenigen Arbeiten, deren Vorbilder im zeitlichen Umfeld der Renaissance aufzusuchen wären, einer Zeit, die die Mythen der Antike neu entdeckte und den traditionellen christlichen Bildinhalten oppositionell und austauschbar (Venus versus Madonna) an die Seite stellte. Aber auch Atilas zerstörte Madonnen- und Christusbilder wären in diesem Zusammenhang zu diskutieren.
Ein zentrales, fast allen
Arbeiten Atilas gemeinsames Zitat ist der Regenbogen, den er allerdings
nicht figürlich zitiert, wie dies zahlreiche Künstler von der
Renaissance bis zur Gegenwart mit den unterschiedlichsten Intentionen (4)
taten. Atila setzt ihn vielmehr zerbrochen in einer Doppelfunktion ein,
als Farbprogression
(Atila), also konstitutive Farbstruktur des
Bildes, und zusleich mythologische Anspielung. Dabei bleibt unerheblich,
daß dem Regenbogen in den unterschiedlichsten Kulturkreisen unterschiedliche
Qualitäten zugewiesen waren, die vom Versöhnenden zum Bedrohlichen
fächerten, denn spätestens seit der Renaissance gewinnt der Regenbogen
eine übertragene Qualität, wird er Sinnbild der Kunst als Brücke
zwischen Himmlischem und lrdischem und zugleich Symbol für die Grenzen
der Naturerkenntnis, aber auch der unstillbaren Sehnsucht
des Menschen. Wenn Atila
den Regenbogen als Figur zerbricht oder auflöst, ihn scheinbar nur
noch farbmaterial einsetzt, nimmt er ihm entsprechend jeden eindeutigen
mythologischen Bezug.
Daneben ist zu berücksichtigen, daß der Regenbogen außer seiner antik-heidnischen und christlichen seit der Renaissance noch eine zusätzliche Qualität gewonnen hat: als Wasserzeichen des melancholischen Künstlers. Das läßt sich mit Dürers "Melencolia 1" und zahlreichen, in der Nachfolge dieses Stichs entstandenen Arbeiten ebenso leicht belegen wie mit den Goethe-Versen
Zart Gedicht wie Regenbogeneine Einsicht die Goethe so wichtig war, daß er sie gleich zweimal formulierte. prosaisch an zentraler Stelle in "Wilhelm Meisters Lehrjahren" (VII, 1) und in Gedichtform in der Sammlung "Sprichwörtlich", aus der ich zitierte. (5)
Wird nur auf dunklen Grund gezogen;
Darum behagt dem Dichtergenie
Das Element der Melancholie -
Eine zweite zentrale Bildschicht
Atilas war in der Radierung, von der ich ausging, als Propeller vorgegeben,
in der Anspielung technischer Zivilisation. Auch sie begegnet nicht nur
in der planen Abbildung ihrer Erscheinungsweisen, sondern in Abbreviatur
und merkwürdiger Künstlichkeit in der Figur zum Beispiel eines
Traktormenschen ("l'homme-bulldozer",
1975) oder als mechanischer Spaziergang ("promenade méchanique",
1978). Zunehmend gewinnt dabei die Welt des Fliegens, der Raumfahrt an
Bedeutung, etwa im Mosaik einer Weltraumstation ("station spatiale", 1977)
oder - und da ist es bereits science fiction - in der Darstellung zweier
galaktischer Wächter ("gardiens galactiques", 1980). Wie ernst Atila
diesen futurologischen Aspekt seiner Kunst meint, könnte ein großes
Bild belegen, für das Atila sicher nicht zufällig den Titel "Vom
Grund der Zukunft" ("du fond de l'avenir", 1982) gewählt hat. (6)
Als Kurzschluß läge die Vermutung nahe, Atla versuche mit seinen beiden zentralen Bildschichten zwei Urfragen zu bündeln a) in den mythologischen Anspielungen die Frage nach der Herkunft des Menschen und den Mustern, die sein Fühlen und Denken, sein Verhalten im Grunde bestimmen; b) in den Anspielungen technischer Zivilisation und der science fiction die Frage: wo gehen wir, wo führt das hin? Aber läßt sich das so einfach schließen? Ich meine nein. Und gerade das "Vom Grund der Zukunft" überschriebene Bild scheint mir geeignet, dies zu illustrieren, indem es die menschliche Figur einkapselt und vor diese Kapsel ein zusätzliches Gitter spannt. Wie auf diesem haben auch auf anderen Bildern Atilas technische Zivilisation und science fiction in ihrer deformierten Anspielung und Erscheinungsweise, in ihrer Unwirklichkeit etwas Unheimliches und Bedrohendes. Der Mensch kann heute zum Mond fliegen, der im alten Rom noch die Qualität einer Göttin hatte. Was ist damit gewonnen? Ikaros kam bei seiner und seines Vaters Flucht von Kreta nach Sizilien der Sonne zu nahe und stürzte ab. Daß Atila diesen Absturz 1976 in einem Mosaik dargestellt hat ("icare"), sollte man nicht übersehen. (7)
Mythologische Anspielung und die Anspielung der technischen Zivilisation sind in der künstlerischen Produktion Atilas kontrapunktierend einander zugeordnet. Wenn die alten Babylonier, Ägypter, Griechen, Römer zum Sternenhimmel aufschauten, sahen sie in den Tierkreiszeichen göttliches Wirken symbolhaft ausgedrückt. Aus ihrem bewundernden und auch erschreckenden Anschauen heraus entstanden die Sagen und Mythen. Dem Menschen der technischen Zivilisation, der sich seinen alten Wunschtraum vom Fliegen längst erfüllt hat, sind die Sterne greifbar nahe gerückt. Der Kriegsgott Mars, der seine Kinder verschlingende Saturn, der auf der Flucht vor Zeus in Latium das goldene Zeitalter begründete, Venus, die lateinische Göttin der Liebe, sind ihm als Gestirn kaum mehr ein Rätsel. Aber das in den Sagen um sie, das in den Mythen eingeschlossene Wissen, die Weltordnung der Mythen hat er verloren. Und die Zukunft ist ungewiß.
Aus dieser Erfahrung des Mythenverlusts, aus der beängstigenden Ungewißheit der Zukunft bezieht Atilas künstlerische Produktion ihre Spannung Und sie versucht das Unmögliche, wenn sie versucht, beides im zerbrochenen Regenbogen noch einmal zu verbinden. Daß Atila mit Hilfe dieses zerbrochenen Regenbogens auch versucht, seine Hoffnung auf die Zukunft, eine neue Mythologie zu formulieren, ist die provozierende Absurdität seiner Kunst: ein moderner Mythos vom Sisyphos. (8)
Ich komme zum Schluß. Ich sprach eingangs von der gravierenden Krise, durch die Atilas künstlerische Entwicklung zunächst unterbrochen wurde, mit der sie erst eigentlich begann. Was Atila aus dieser Krise herausbrachte, war die Entscheidung für Farbe (was seinem persönlichen Temperament auch mehr entsprach als seine frühen Versuche konstnuktiven Malens), war seine Entdeckung des Mythos. Was Atila in einem Brief einmal den Schritt vom Concreten zum Mythos genannt hat, bezeichnet genau dies. Für ihn als Künstler war es der Gewinn einer Grundhaltung, der weder das Konkrete noch die damit verbundene Reduktion, der weder das Kalkül noch die Spekulation entsprachen.
In einer grundsätzlichen Unterscheidung hat Friedrich Schiller für den Dichter, was aber übertragbar ist, zwischen dem Typ des naiven und dem des sentimentalischen Künstlers getrennt, zwlschern dem - wie er es ursprünglich und für heutige Ohren geeigneter nannte - intuitiven und spekulativen Künstler. Der spekulative Künstler suche aus der Distanz nach der - durch Kultur und Zivilisation verlorenen - Einheit mit der Natur; sehe in ihr ein erstrebenswertes Ideal, daß er - als Idealist - in der Darstellung der Idee verkörpere. Man könnte, würde man statt Natur Mythos setzen, Günther C. Kirchberger, einen anderen Maler der Gruppe 11, einen derart spekulativen Künstler nennen. Intuitive Kunst sei dagegen - jetzt wieder in Schillers Worten - durch die Nachahmung des Wirklichen der sie umgebenden Natur bestimmt, einer Natur, die schon längst auf dem Wege sei, aus dem menschlichen Leben als Ertahrung [...] zu verschwinden. Der nach Erfüllung im Irdischen strebende intuitive Künster sei noch, genialisch, im Einklang mit der ursprüngIichen Schöpfung. Auch hier möchte ich statt ursprünglicher Schöpfung, statt Natur wieder Mythos sagen und festhalten, daß Atila in diesem Sinne ein intuitiver Künstler ist, der den (dem menschlichen Bewußtsein weitgehend entzogenen) Bereich des Mythischen durch seine künstlerische Produktion noch einmal in Einklang zu bringen versucht mit einer immer schneller fortschreitenden Wirklichkeit in der er lebt.
[Kulturamt der Stadt Sindelfingen,
20.1.1983]